Donnerstag, 14. Juni 2018

test

mal wieder

Heidewitzka, neues Leben!

Das klingt doch schon mal positiv, nicht wahr?
Kurz meine aktuelle Situation: ich befinde mich -halbliegend - auf dem Sofa. Um mich herum: Chaos. Diese Ansammlungen.. ein Glas, ein Obstmesser, eine leere Wasserflasche- sauberer Müll... eine Bananenschale. Ventilator auf dem Sofa, daneben die Jeans vom Mann, daneben der Hund. Verzwirltes Strickzeug. Das dem Saugroboter zum Opfer fiel. (Wieder! WIEDER!!)
Draussen bewölkt, drinnen schwül. Schwül, chaotisch und funster.
NOT MY DING!!
Warum schreibe ich das? Und warum so unstrukturiert?
Weil: Ich habe eine Erkenntnis gewonnen.
Ich habe ADS.
Ich bin eine von jenen Erwachsenen, bei der das Syndrom in Kindheit und Jugend niemals diagnostiziert wurde. Die aber bis heute schwer damit kämpft.
Aha, und das diagnostiziert man sich also selber?
Ja, ich schon! Zwei meiner Kinder haben ADS, vom Kinderpsychologen diagnostiziert. Bei ihnen weiß ich das. Sie haben helfende Medikamente und ich kann darauf eingehen. Und viele viele Jahre waren wir Eltern überzeugt, „das“ haben sie vom Vater geerbt. Was durchaus sein kann... jedoch... wohl besteht die Möglichkeit, dass da auch „von mir was dabei ist“
Als Kind äußerten sich gewisse Probleme mit dem Zimmer aufräumen.... natürlich tut das kein Kind gerne, aber bei mir war es einfach extrem.
Der Samstag war von vornherein ein schwarzer Tag, denn ich musste im Zimmer bleiben, bis es wirklich „aufgeräumt“ war (und das Ergebnis passte NIE... )
Natürlich hatte ich schon von vornherein KEINE LUST auf den Aufräumkrampf. Ich fühlte mich immer wie gelähmt.
In der Grundschule hatte ich nicht viele Probleme, den Stoff verstand ich leicht, Hausaufgaben waren schnell erledigt, lernen musste ich nicht, die Noten waren auch so sehr gut.
Daher ging ich ab der fünften Klasse ins Gymnasium, wo ich schon in den ersten Wochen die schmerzhafte Erfahrung machte: wer nicht lernt, schreibt 6er.
Nun wusste ich aber gar nicht, „wie man lernt“  Von daheim aus wurde daher mein Tag strukturiert: Heimkommen um halb 2, Mittagessen und „ausruhen“ bis 2, „Freizeit“ bis 16 Uhr, dann Hausaufgaben und lernen bis mindestens halb 7.
War wohl klug gedacht, für mich vollkommen ungeeignet.
Wieviele Nachmittage habe ich in meinem kühlen Zimmer mit Fenstern nach Norden und dem Wald direkt vor der Haustür verbracht.... eingekerkert ohne etwas verbrochen zu haben.... Frühling, Sommer, Herbst und Winter zogen vorbei.... ich saß meine Zeit ab. „Gelernt“ habe ich im Zimmerknast eher nicht.
Lieber archivierte ich akribisch die im Radio gespielte Werbung.... bald wusste ich zwar welche Werbung wann gespielt wird und konnte jeden Jingle wortgetreu mitsprechen... aber was die Sansculotten im Geschichtebuch wann getrieben haben (und warum) entzog sich vollkommen meiner Kenntnis.
Da das Kind (ich) nicht als dumm galt, gab es nur einen vermeintlichen Grund für die schlechten Noten: das Kind ist FAUL
Ich war NICHT faul! Ich war... unkonzentriert, überfordert, unmotiviert, rebellisch... müde und zugleich unendlich wütend. Auf ALLES.
Ich war 16, da hatte mich dieses "du machst nichts richtig, bist faul und gefräßig" so sehr zermürbt, dass ich mir bereits "meine Brücke" ausgesucht hatte, von der ich springen wollte. Weil das ALLES einfach keinen Sinn machte. Und ich keine Freude mehr am Leben empfand. Was ich immer hatte, waren Ängste... Vielleicht war es auch schon eine kleine Depression.
So "besuchte" ich eines Tages mal wieder "meine Brücke", nicht in der Absicht heute hier jetzt und gleich einen Schlussstrich zu ziehen, sondern um zu planen und mir auszumalen, wie das Ganze denn abzulaufen habe. Außerdem hatte ich ja noch keinen Abschiedsbrief geschrieben.
Ich stand auf dem Teil für die Fußgänger und ein Zug nach dem anderen ratterte an mir vorbei, der Wind drückte mich ans Geländer und plötzlich hatte ich die Eingebung: NEIN! Den Mut, den du aufbringen musst, um abzuspringen, diesen Mut investierst du in dein LEBEN!!!
Suizid war damit für mich erledigt... hört sich recht einfach an, aber manchmal hat man eben diese innere Stimme, und ich hörte auf sie.
Das FAULE Kind rebellierte also so lange bockig in seinem Zimmer nach Norden, bis es endlich nach der 10. Klasse vom Gymnasium flog. Nun war ich FREI, der Arbeitsmarkt wartete auf mich und ich stürzte mich kopfüber in die einzige Lehrstelle, die sich mir (mit meinem recht miesen Zeugnis) bot.
Ich begriff schnell: mit langsam schauen und "dumm stellen" komme ich hier nicht lange weiter.... also zeigte ich Einsatz... und zwar richtig! Das FAULE Kind arbeitete körperlich bis zum Ende seiner Kraft, ich musste sehr sehr sehr viel lernen über Zwischenmenschliches, normales Leben, Schnelligkeit und Druck.
In meinem Beruf fiel mein -heute diagnostiziertes - ADS überhaupt nicht auf, denn man war gezwungen, überall gleichzeitig zu sein, ein bisschen hier zu arbeiten, dann schnell ein bisschen dort, im Laufschritt ins andere Eck und das Nötigste dort erledigt... ziemlich perfekt für mich.
Der Stress blieb aber. Die unterdrückten Ängste äußerten sich in chronischen Magenschmerzen, Durchfall etc. Man achtete aber nicht darauf, ich war jung und das waren kleine Zipperlein.
Bis ich dann eine Speiseröhrenentzündung "erwarb", die vom Arzt sehr ernst genommen wurde und mir erst mal eine Krankschreibung bescherte.
Woraufhin mein Chef mir umgehend die Kündigung "aufgrund der wirtschaftlichen Lage" ausschrieb. Das war der Dank für vier Jahre HERZBLUT, was ich für diesen Betrieb geopfert habe.
(ich glaube, der Mann ist bis heute noch der Meinung, ich hätte "krank gespielt")
Nach einer Weile der Arbeitslosigkeit bekam ich eine lehrberufsfremde stelle in der Automobilindustrie. Das FAULE Kind ging in die Fabrik. Die Arbeit dort machte mir riesigen Spaß, ich bekam nach einer kurzen Anlernzeit bereits größere Aufgaben übertragen, die Gehirnleistung erforderten. Endlich geregelte Arbeitszeit, freie Wochenenden und Feiertage und VIEL Geld.
Eines Tages kam der Schichtführer zu mir und meinte, er hätte mich jetzt längere Zeit beobachtet, und mit dieser Trödelei ginge das nicht mehr so weiter. Ich sei viiiiel zu langsam, schaue ständig durch die Gegend und man nüsse Angst haben, ich würde gleich einschlafen. Daher wäre die Stückzahl zu gering und... so ginge es einfach nicht.
Mir war das wirklich nie aufgefallen, ich war vollkommen perplex über seine Aussagen. Im Nachhinein sehe ich meine ADS Kinder, wie sie auf der Kücheneckbank liegen und die Holzdecke anstarren.. statt Hausaufgaben zu machen... tja!
Leider wurde ich nach dem Auslaufen des befristeten Vertrags nicht übernommen (langsames faules Kind.....) . Ich machte also einen anderen Job zur Überbrückung (branchenfremd), verdingte mich für eine Saison als Bedienung in einem ländlichen Restaurant und ergriff im Anschluss die Gelegenheit, mich ein weiteres mal in DER Fabrik zu bewerben.
Als ich beim Vorstellungsgespräch erwähnte, dass ich schon sechs Monate dort gearbeitet hatte und UNBEDINGT wieder rein wollte, war der Vertrag auch schon unterschrieben ;)
Das war die beste Zeit meines Lebens... auch jetzt hatte ich wieder unendlich viel Freude an der Arbeit, bekam schon bald Verantwortung übertragen und freute mich jeden Tag wieder, sowohl am Arbeitsbeginn als auch am Ende. Bis zur Schwangerschaft mit meinem ersten Kind war ich dort bestens aufgehoben und würde auch heute noch sofort wieder dort anfangen...
Das erste Kind wirft das Leben durcheinander. Ganz klar. Man selbst tritt in den Hintergrund, eigene Bedürfnisse zählen nicht mehr. Irgendwie schafft man es. Und es läuft. Und dann.... will man ein zweites Kind :-)
Und da waren sie wieder... meine Ängste.. meine Überforderung.
Das Chaos. Das gelähmt-sein. Die Verzweiflung. Das Ganze endete schon nach 1,5 Jahren in einem (nicht offiziell diagnostizierten) Burnout. Panikattacken, Depressionen, Unfähigkeit die einfachsten Dinge des Lebens zu meistern. Autofahren? Keine Chance.
Wo war diese junge Frau, die vor nichts Angst hatte und überall hinfuhr? Wo war die Power hingekommen? Die Entschlusskraft?
Chaos und Kraftlosigkeit. Überforderung. Gelähmt sein. Keine Luft bekommen. Todesangst.
Mein Leben  geht weiter. Mit Antidepressiva, die ich keinesfalls mehr absetzen darf (was mir drei verschiedene Versuche im Laufe der Jahre sehr deutlich gezeigt hatten.) Mit daraus resultierendem Übergewicht. Extremen Übergewicht. Mit Diuretika, Betablockern. Die Schilddrüse braucht Hilfshormone. Und neuerdings hat sich auch ein Prädiabetes entwickelt.
Heidewitzka! Und warum? Wegen: ADS!!
Und jetzt: jetzt bin ich ja fürchterlich schlau. Jetzt weiß ich das. Ich muss mir keine Vorwürfe machen, dass ich FAUL wäre. Ich bin unstrukturiert, aber es ist nicht FAULHEIT. Ich werde daran jetzt arbeiten. Mehr Struktur. Anfangen, auszumisten. Ballast raus werfen. Und zwar konsequent und konstant.
Wenn es zu viel wird, werde ich nicht mehr verzweifeln. Ich werde mir eine Pause gönnen. Und DANACH werde ich weitermachen.
Und hier weiterschreiben. Sischer datt ;)

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Frau Müller... (und DU sagen, bitte ;) ) über 40, drei Kinder, Haus, Mann, Garten und Hund. Und einen Job, denn es reicht ja nie.... Alltäglicher Wahnsinn, Höhen, Tiefen. Rudern gegen die Depression. Leben mit Ängsten, Kampf gegen Übergewicht.

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